Wenn ein bundesweit ausgeschriebener Literaturwettbewerb im Chiemgau ins Leben gerufen wird, interessiert das die Chiemgau-Autoren ganz besonders. Am Freitagabend 25.10.2019 drehte sich alles um den Literaturpreis „Grassauer Deichelbohrer“. Dieser Name für einen Literaturpreis mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen, aber – so das Jurymitglied Klaus Bovers – „Schreiben ist geistiges Bohren. Es erfordert Talent, Präzision und Ausdauer. Wer konzentriert schreibt oder bohrt, möchte einer Sache auf den Grund gehen. Er muss bis zum Durchbruch bohren.“

Die Jury hatte aus 470 Einsendungen acht Geschichten ausgewählt und auf eine Shortlist gesetzt. Die nominierten acht Autoren waren eingeladen, dem Publikum ihre Kurzgeschichten vorzulesen.

Wer von ihnen würde am Ende zu den drei Gewinnern gehören und an wen würde der Publikumspreis gehen? Das waren die Fragen, die sich an diesem Abend wohl jeder im Konzertsaal der Wolfgang-Sawallisch-Villa stellte. Der Veranstaltungsort verdient es, beschrieben zu werden. Eine schmale Straße führt hinauf zur Villa, in der bis 2013 der weltberühmte Dirigent Wolfgang Sawallisch wohnte. Nach dessen Tod ging der vier Hektar große Grundbesitz an die Sawallisch-Stiftung über. Die Villa, zu der auch ein Gästehaus gehört, steht in einem wunderschönen Park von herrschaftlichen Ausmaßen. Zu den Gebäuden führen schmale, weiß gekieste Wege. Am Wegrand stehen Leuchten, welche die Besucher bei Dunkelheit zur Villa geleiten. Schemenhaft sind im Dunkel hundertjährige Laubbäume zu erkennen. „Wie viele Gärtner mag der Dirigent hier wohl beschäftigt haben?“ fragt man sich unwillkürlich. Die Villa ist gediegen schön. Der für die Lesungen bereit gestellte Saal war ehemals das Schwimmbad der Familie Sawallisch. Jetzt ist die Halle bestuhlt mit weinrot gepolsterten Sesseln.

Die Gäste erfahren, dass dem Wunsch des Dirigenten Sawallisch folgend hier vor allem Meisterschüler musizieren und den letzten Schliff erhalten. Zu den Lesungen an diesem Abend dürften sich an die hundert Besucher eingefunden haben. Die nominierten acht Autorinnen und Autoren, darunter die Chiemgau-Autorin Armena Kühne-Enzinger nahmen in der ersten Reihe Platz.Robert Höpfner, der Kulturbeauftragte der Gemeinde Grassau, und Angeline Bauer für die Jury, sprachen einführende Worte.

Es lasen sodann in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Vornamen:
Andreas Weidmann          Die Reise
Armena Kühne  Glockengasse 13 oder die Zeit mit Gareb
Cornelia Koepsell      Nachts – Allein – im Wald
David Jacobs    Haikus
Heidi Lackner      Der Duft sterbender Bücher
Janina Rehak      Schall und Rauch
Juliane Kersebaum            Findelfell
Manuel Zerwas  Ich fühle was, was du nicht fühlst

In allen diesen Kurzgeschichten ging es um das Thema „Nähe“.
Die nominierten Autoren und Autorinnen verfassten zu diesem Thema teils spannende, teils berührende Geschichten. Alle hätten sie als Gewinner aus dem Wettbewerb hervorgehen können –keine leichte Aufgabe für die Jury.

Den Literaturpreis Grassauer Deichelbohrer 2019 hat am Ende Heidi Lackner gewonnen mit ihrer Kurzgeschichte „Der Duft sterbender Bücher“. Auf Platz zwei wählte die Jury David Jakobs mit seiner Kurzgeschichte „Haikus“. Den dritten Platz erhielt Manuel Zerwas für seine Geschichte „Ich fühle was, was du nicht fühlst“. David Jakobs erhielt zudem den Publikumspreis, und dies verdientermaßen, wie ich meine. Seine Geschichte, die von einem dementen Mann handelt, der immer wieder Zettelchen findet, auf die seine verstorbene Frau Haikus geschrieben hatte, berührte zutiefst. Jakobs hat betont langsam gelesen, was trefflich zum Inhalt seiner Geschichte passte.

In Armena Kühnes Geschichte von Hanna und Garib geht es um eine interkulturelle Beziehung. Hanna begegnet auf einem Berliner Flohmarkt Garib, einem Künstler ägyptischer Herkunft. Sie ist von diesem Mann so fasziniert, dass sie ihn in ihr Haus einziehen lässt. Sie lieben sich, er malt Wüstenbilder für sie, doch die Idylle beginnt zu bröckeln. Eines Tages ist Garib fort. Hanna folgt ihm in seine Heimat, doch nach kurzer Zeit überfällt auch sie das Heimweh.Sie kehrt zurück in ihr Haus in Berlin, in dem wieder die Einsamkeit wohnt.  Gut geschrieben, wie ich finde. Kompliment Armena! 

Auch ich hatte mich am Wettbewerb beteiligt und dazu meine Kurzgeschichte „Die Fanfare des Königs“ eingereicht. Darin geht es um einen 40-jährigen Mann, der sich in seiner Freizeit allzuoft in der virtuellen Welt, der „world of warcraft“ vergnügt, und der sich daraus erst befreien kann, als er nach vielen Jahren wieder seiner Jugendliebe begegnet. Wie die Jury meine Geschichte beurteilt hat, werde ich wohl nie erfahren. Mein Selbstbewusstsein aber sagt mir: „Sie ist gut!“ Es kann eben nicht jeder gewinnen.

Bericht: Hans-Peter Kreuzer

error

Aktuelle Facebook Beiträge findet ihr hier: